Wenn man von Hinterhermsdorf die schmale Straße durch das Neudorf ins Kirnitzschtal hinabwandert, stößt man direkt am Ufer der Kirnitzsch auf eine Weggabelung. Rechts kommt man entlang des Bachufers in wenigen Minuten zur Hinterhermsdorfer Niedermühle, links zum Touristengrenzübergang ins böhmische Khaatal (Kyjovske udoli). Direkt gegenüber dieser Gabelung am anderen Ufer der Kirnitzsch kann man am Waldrand einige verwachsene Grundmauerreste erkennen, es sind die traurigen Reste der Böhmischen Mühle, die bis 1945 ein weithin beliebtes und bekanntes Gasthaus war.
Die Mühle selbst war uralt, über die Gründung selbst gibt es keine schriftlichen Aufzeichnungen, weil die alten Grundbücher von Hohnstein, die uns vielleicht Aufschluß geben könnten, bei dem Brande des Hohnsteiner Schlosses 1604 verloren gegangen sind. Die einzige Urkunde, die uns diesen und jenen Fingerzeig geben kann, ist das Hohnsteiner Amtserbbuch von 1547. Hierin wird die Böhmische Mühle als Brettmühle erwähnt (als Mahlmühle 1588), so wie überhaupt die meisten Mühlen des Kirnitzschtales als schon bestehend aufgeführt werden, ihre Gründung ist demnach in noch weiter zurückliegenden Zeiten zu suchen. Auch die Ödersche Karte von 1592 verzeichnet eine Anzahl dieser Mühlen. Wollen wir ihr Alter feststellen, so sind wir also auf Vermutungen angewiesen.
In der Schandauer Chronik des Pfarrers Glootz wird der Schandauer Elbhandel urkundlich schon vor 1452 nachgewiesen. Dieser bestand aber vornehmlich darin, Holz nach den holzhungrigen Elbstädten Pirna und Dresden zu bringen. Das Holz stammte zum großen Teil aus den damals unerschöpflichen Waldbeständen der hinteren Sächsischen Schweiz, des Gebietes um das Kirnitzschtal.Nun muß allerdings zugegeben werden, daß die Kirnitzsch in Anbetracht des sehr unregelmäßigen Wasserlaufes sich nur zum Flößen verhältnismäßig kurzer Hölzer eignet.
Was geschah nun aber mit den Baumriesen, an denen diese Gegend in früheren Zeiten überreich war? Sie bis nach Schandau zu transportieren war damals unmöglich. Man mußte sie tunlichst in nächster Nähe ihres Standortes aufschneiden. Und das geschah in den Mühlen des Kirnitzschtales. Die Mühlen des oberen Kirnitzschtales führten dann die fertige Schnittware über Hinterhermsdorf und Ottendorf nach Sebnitz ab, die der unteren Kirnitzsch nach Schandau.
Mit ziemlicher Sicherheit kann angenommen werden, daß die Mühlen des Kirnitzschtales so alt sind wie die Holzflößerei auf der Kirnitzsch und der Schandauer Elbhandel. Wenn man die Zeit um 1400 als Entstehungszeit annimmt, so hat man damit wahrscheinlich nicht zu weit zurückgegriffen.
Doch kehren wir nach diesem kurzen geschichtlichen Streifzug zurück zur Böhmischen Mühle. Als Mühle hat sie wahrscheinlich nie eine bedeutende Rolle gespielt, wichtiger ist zweifellos ihre nächste Nachbarin flußabwärts, die sogenannte Niedermühle, die erste Mühle auf sächsischer Seite. Die Geschichte beider Mühlen ist eng miteinander verflochten; welche von ihnen jedoch die ältere ist, kann leider nicht festgestellt werden.
Die Niedermühle gehört zu Hinterhermsdorf, wie auch die Böhmische Mühle (trotzdem sie auf böhmischer Seite lag) in Wirklichkeit sich im Laufe der Jahrhunderte immer mehr als zu diesem Dorfe gehörig betrachtet hat. Ihre Besitzer sind wiederholt Hermsdorfer gewesen, und auch die Abfuhr nach Hinterhermsdorf war, besonders vor dem Bau der Khaatalstraße, jederzeit günstiger als nach dem weiter entfernten böhmischen Orte Daubitz (Doubice), zu dem sie politisch gehörte.
Eine sehr interessante Erscheinung bezüglich der Namen der Mühlenbesitzer im oberen Kirnitzschtal sei noch erwähnt. Unter ihnen kehrt der Name Puttrich sehr häufig wieder.Um 1830 kaufte der Besitzer der Niedermühle Puttrich auch die Böhmischen Mühle. Da er keinen männlichen Leibeserben hinterläßt, vermacht er diese beiden Mühlen seiner Tochter. Diese wiederum vererbte jeweils eine Mühle an zwei ihrer Töchter. Von diesen beiden Frauen erzählt nun der Volksmund, daß sie zeitlebens arg miteinander verfeindet gewesen sind. Und als dann 1857 die Niedermühle abbrannte und 1863 die Böhmische Mühle das gleiche Schicksal traf, knüpften die Bewohner natürlich allerhand böse Vermutungen an diese Ereignisse.
Da aufgrund des geringen Wassergefälles an dieser Stelle der Mühlenbetrieb nicht mehr lohnte, baute man die Mühle nach dem Brande 1863 nur als Wirtschaftsgebäude wieder auf. Um 1900 herum bekam die Mühle Schankgerechtigkeit, wurde im oberbayerischen Stil umgebaut und entwickelte sich unter dem Namen „Böhmische Mühle” zu einem weit und breit bekannten Touristengasthaus.
Im Jahr 1910 wird Anton Rothe als Besitzer erwähnt. Die Böhmische Mühle war gleichsam der Sammelplatz für alle Wanderer, die von böhmischer Seite aus die herrliche Schleusenpartie unternehmen wollten. Tausende von wanderfrohen Menschen passierten an schönen Sommersonntagen die ehemalige Mühle und kehrten ein zu kurzer Rast. Als Sommerfrische hatte sich die Böhmische Mühle einen guten Ruf erworben, aber auch zur Winterszeit lag sie nicht still, sondern bildete ein beliebtes Ziel für Schlittenfahrten. Und es gab wohl keinen Kegel- oder Skatklub weit und breit, der nicht irgendeinmal zur Sommers- oder Winterszeit in der Böhmischen Mühle feuchtfröhliche Stunden verlebt hat.
Doch diese Idylle endete mit dem 2.Weltkrieg. Ende März 1945 wurden noch KZ-Häftlinge auf einem Todesmarsch von Schwarzheide in Richtung Theresienstadt an der Böhmischen Mühle vorbeigetrieben, sechs Häftlinge wurden unweit der Grenzbrücke auf der Böhmischen Seite begraben. Ab Mai 1945 zogen dann immer wieder endlose Züge von aus Böhmen vertriebenen Deutschen über die Grenzbrücke nach Sachsen. Die Todesopfer dieser Märsche sind in Hinterhermsdorf begraben. Die Böhmische Mühle wurde sinnlos niedergebrannt und bis auf die wenigen Reste der Grundmauern abgetragen. Nach mehr als 50 Jahren kann die Grenzbrücke seit einigen Jahren von Touristen wieder benutzt werden.
Wenn man über die Grenzbrücke läuft, kommt man zu der Stelle, wo sich einst Hinterdaubitz befand, heute stehen nur noch auf sächsischer Seite einige Häuser („Im Loch”). Der größere Teil der Ansiedlung auf der böhmischen Seite wurde wie die Böhmische Mühle nach 1945 dem Erdboden gleichgemacht.
Der Name Daubitz leitet sich vom slawischen Wort dubice (Eichenplatz) ab. Der Ort wurde im Volksmund auch „Kirnschtmühle(n)” genannt. Gegen Ende des 16 Jhs. schon wird hier auf dem sächsischen Ufer „Zentzschels Brettmühle” als „Bredt Mühlen unter dem Steinberg an der Körnigsch Pach” erwähnt. Eine Hohlform bei Grenzstein 23/15 soll der einstige Mühlgraben sein. Doch diese Mühle ist wieder eingegangen, nach 1700 wird sie nicht mehr erwähnt.
Seit 1604 gehörte die böhmische Seite zur Herrschaft Kamnitz der Fürsten Kinsky. Die Einwohner lebten hauptsächlich vom Holzeinschlag und Fischfang auf Lachse und Forellen, später auch von der Steinbrecherei. Nach dem Theresianischen Kataster sollen bereits 1766 sieben Häuser bestanden haben. Götzinger (S.310) schreibt 1804 "...Jägerhaus, der Jäger genannt, welches zugleich ein Wirtshaus ist, wo man stets treffliches böhmisches Bierund gute Liqueur's nebst Imbis erhalten kann. ..." Der Topograph Sommer (S.261) verzeichnet 1833 7 Häuser mit 38 Einwohnern und ein obrigkeitliches Försterhaus. 1846 wird das Forsthaus (der „Jäger”) als Einkehrstätte von F. Thal erwähnt. 1895 nennt uns Th. Schäfer in seinem „Führer durch Nord-Böhmen” einen „Bierschank des Hegers”. 1894 und 1907 wird Hinterdaubitz von Franz Hantschel (Nordböhmischer Touristen-Führer) als „wahres Hinterwälderdörfchen” bezeichnet.
Im Jahr 1910 hat Hinterdaubitz 13 Einwohner in 6 Häusern, 1939 werden ebenfalls 13 Einwohner gezählt. Interessant ist, das die Kinder von Hinterdaubitz in das sächsische Hinterhermsdorf zur Schule gingen, ebenso waren die Einwohner trotz Zugehörigkeit zu Böhmen evangelisch. Verwaltungsmäßig gehörte Hinterdaubitz zur Gemeinde Daubitz (Kreis Rumburg).
Quellen:
letzte Änderungen vom 1.1.2012