Im Jahre 1846 hat der damalige Franziskaner-Ordenspriester P.A.J.Pleschke in Pilsen, ein gebürtiger Niederkreibitzer, in Heber's bekanntem Sammelwerke "Böhmens Burgen, Vesten und Bergschlösser" (IV. Band, Seite 191) die Burgstätte Karlstein bei Niederkreibitz folgendermaßen beschrieben:
„Auf der, an Naturschönheiten reichen, fürstlich Kinsky'schen Herrschaft Böhmisch-Kamnitz liegt, etwa eine halbe Stunde von Niederkreibitz und ebensoviel von Daubitz entfernt, ein Sandsteinkegel, von den Landestopographen "Karlstein" genannt 1), der gegen Süden äußerst steil abfällt und von dem kleinen Daubitzer Bache bespült wird, auf der nördlichen Seite aber mit einem weit sich hindehnenden Felsenrücken zusammenhängt. Dieser Felsenkegel trägt die wenigen Ueberreste einer früheren Befestigung an sich, die vom Volke den stolzen Namen des "wüsten Schlosses" erhielt, und obschon das Ganze weder durch imposante Höhe (im Allgemeinen etwa zwanzig Klafter), noch durch großartigen Umfang (am Gipfel beiläufig achtzig Schritte im Umkreise) sich auszeichnet, so ist doch die versteckte Lage und die ganze Umgebung so beschaffen, daß deren Wahl dem Scharfsinne und dem richtigen Takte der Ritter vom Stegreif ganz und gar nicht zur Unehre gereicht; denn nicht leicht konnten sie, bei der gleich weiten Entfernung (zwei Stunden) vom Kamnitzer Schlosse, vom Fredewald, Falkenstein2) und Tollenstein, einen geeigneteren Platz zu einer Mittelstation auffinden, um einen gewichtigen Raub einstweilen in Sicherheit zu bringen.3)
Ansicht der Burg Karlstein, kolorierter Stich von
P.Röhrich nach einer Zeichnung von K.Brantel,
(erste Hälfte d. 19. Jh., aus Heber, Böhmens Burgen, Vesten und Bergschlösser, Prag 1846)
Da, wo der Sandsteinkegel nördlich mit den föhrenbewachsenen Felsenwänden natürlich verbunden war, ist er zur Befestigung der auf ihm befindlichen Werke durch einen, in einen stumpfen Winkel auslaufenden Graben geschieden, der ziemlich tief gewesen sein mochte, nun aber schon von jungem Kieferanflug, mitunter auch bereits stärkeren Stämmchen nebst üppig wucherndem Haidegestrüpp und Haidelbeerkraut bedeutend ausgefüllt ist. Die oben befindlichen Ueberreste gleichen jetzt einem in den Felsen gehauenen Keller, der ohngefähr vier Klaftern Länge, drei Klaftern Breite und zwei Ellen Tiefe hat, übrigens aber mit Schutt mehr als über die Hälfte ausgefüllt ist. An der nördlichen Seite ist die Jahreszahl 1698 mit rohen Ziffern eingehauen; an der Ostseite befindet sich eine Nische, augenscheinlich ein Kamin, der zur Erwärmung des Behältnisses hier angebracht wurde; am Fuße desselben ist eine runde Felsöffnung, möglicherweise ein ehemals bis an das Bächlein hinabreichender Brunnen.
Die an jeder der vier Seiten befindlichen Fenster sind ganz verwittert, von Außen kaum mehr erkenntlich, sowie man überhaupt, aus der Umgebung den Felsen anschauend, nicht leicht auf die Vermuthung geräth, daß die Faustritter hier einen festen Posten hatten. Der innere Raum ist ebenfalls mit allerhand Buschwerk ausgefüllt und zeigt häufige Spuren von Nachgrabungen, die aber statt der gehofften Schätze nur altes Eisenwerk zu Tage förderten, bestehend in Haken, Steigbügeln, Lanzen und Pfeilen, davon in Kreibitz vor wenigen Jahren noch Mehreres vorhanden war, von den Eigenthümern aber, als vom Roste halbzerfressenes Rumpelwerk, weiter nicht beachtet und dem Handelsjuden verkauft wurde. 4)
Von ehemals hier bestandenen Zugbrücken, Thoren, Basteien, Ringmauern u. dgl. ist keine Spur zu finden; denn eine nur oberflächliche Betrachtung der ganzen Burgstätte führt bei dem gänzlichen Mangel von Mauerresten und Schutt zu der festen Ueberzeugung, daß nur ein Holzbau die schwer zugängliche Kuppe des Felsens schmückte und allenfalls, zur Vermeidung der Gefahr des Herabstürzens, an den Rändern mit massiven Schrottwänden eingefaßt war.
Die Aussicht ist von dieser Höhe weit offener, als man es Anfangs vermuthen würde. Von Südwest bis Nordost wird der Gesichtskreis von mächtigen Waldbergen umschlossen, und nur ein Blick in das freundliche Wiesenthal herab, das der von Erlengebüschen beschattete Daubitzer Bach durchrieselt, Iohnt einigermaßen das anstrengende Emporklimmen. Südlich erhebt sich der hohe Kaltenberg, südöstlich das und östlich überragt das Waldgebirge der hohe Irgtstein (Irrigtberg), zu welchem von Daubitz aus Saumpfade und vom Fuße des Felsens bis zur Plattform Steinstufen aufwärts führen, die mit Barrieren versehen sind und dem Besteiger eine seltene, herrliche Fernsicht eröffnen.” 5)
Nowicki ("Die böhmische Nordbahn", S 194) und Hockauf ("Heimathskunde des polit. Bezirkes Rumburg", S.192) widmen der "Ruine Karlstein" nur einige Worte der Beschreibung. Ersterer, der nur aus Heber geschöpft zu haben scheint, sagt: "Dieselbe bietet jetzt (1871) kaum mehr als eine sehr kleine, in den Sandsteinfelsen, dessen Höhe etwa 20 Klafter über dem Fuße beträgt, ausgehauene Räumlichkeit, außerdem aber noch einen bereits stark ausgefüllten Graben. Die Aussicht von hier erstreckt sich über den Irrigtberg und die Tannenberge in ihrem nordwestlichen Theile." In Hockauf's "Heimathskunde" heißt es nur: "Die wenigen Ueberreste der vom Dorfe (Niederkreibitz) nur eine halbe Stunde entfernten Burg Karlstein mahnen an längst vergangene Zeiten."
Th. Schäfer endlich, dessen "Führer durch Nordböhmen" bisher der einzige zusammenfassende, möglichst ausführliche und dabei für den Gebrauch praktisch eingerichtete Wegweiser durch unsere von der Natur so reich gesegneten Landschaften geblieben ist und im Jahre 1883 bereits die dritte Auflage erlebt hat, erwähnt den Karlstein gar nicht, trotzdem er der Umgebung von Kreibitz volle sechs Seiten widmet.
Und doch verdient es der Karlstein ebenso wenig, wie der Ober-Karlstein, daß er von den Touristen unbeachtet bei Seite gelassen wird; wäre es auch nur deshalb, weil er eine jener Stätten ist, die dem Freunde der Heimath und ihrer denkwürdigen Vergangenheit stets von Interesse ist und bleiben wird. Wohl liegt die Geschichte des festen Hauses "Karlstein" im Dunkeln, und nur ein Netz von Sagen umspinnt und verschönt seine unbedeutenden Reste. Aber gleichwie die Fäden dieses Sagennetzes einerseits die alte "Budersdorfer Straße" entlang gegen den Rudolfstein hin und andererseits zum Irichtberge hinauf auslaufen, ebenso sollten diese interessanten Naturpunkte sichtbar, dem Touristen zu Danke, durch gebahnte Wege mit einander verbunden werden. Daß dies aber über kurz oder lang geschehen wird, dessen ist uns bei den nunmehr mächtig entfachten Bestrebungen unserer Gebirgsvereine nicht mehr bange.
1) Auf der im Jahre 1826 von dem um die Landkartenkunde Böhmens hochverdienten, damaligen Domherrn und Konsistorialrath in Leitmeritz und Dechanten zu Schüttenitz, Dr. Franz Jakob H. Kreybich (einem gebürtigen Steinschönauer) verfaßte "Charte zur Uebersicht der im Leitmeritzer Kreise gelegenen Herrschaft Böhmisch-Kamnitz" findet sich die abweichende Bezeichnung "Niederkarlstein". Auf den vom Jahre 1847 ab erschienenen Generalstabskarten von Böhmen ist keine der beiden Burgstellen, weder "Karlstein" noch "Oberkarlstein", eingezeichnet. Dr.H.
2) Betreffs der Entfernung vom Falkenstein hat sich Pleschke geirrt; sie ist in Wirklichkeit kaum halb so groß. Dr.H.
3) Der Sage nach sollen nämlich auch hier im 14. und 15. Jahrhunderte kühne Wegelagerer mit ihren Rotten gehaust und vor Allem die nahe Lausitz beunruhigt haben. Geschichtlich aber ist über "Karlstein" ebenso wenig bekannt, wie über "Oberkarlstein". Immerhin jedoch dürfte soviel als sicher anzunehmen sein, daß die Anlage der beiden festen Plätze im ursächlichen Zusammenhange mit der Richtung der alten, die Elbe mit der Lausitz verbindenden Verkehrswege gestanden ist. Solche Wege, die man sich natürlich nur als Saumwege zu denken hat, gab es zwei: den quot;Böhmerweg" und den "Lausitzerweg". Der erstere führte einerseits von Herrnskretschen über Hohenleipa und andererseits von Tetschen über Windischkamnitz und Schemel nach Kreibitz und von da in die Lausitz; der letztere verband die Lausitz über Rumburg, Schönlinde, Kreibitz, Hasel und Kamnitz mit Tetschen, beziehungsweise mit der Elbe. Dr. H.
4) Nur altes Eisenwerk ! Und doch wie werthvoll für die geschichtliche Forschung ! Leider kam und kommt es nur zu häufig vor, daß derlei Funde, die oft fehlende geschichtliche Quelltexte ersetzen, aus Mangel an Kenntnis und Verständnis der Forschung verloren gehen! Unsere Gebirgsvereine werden deshalb einem überaus löblichen Zwecke dienen, wenn sie derartige Fundstücke, und wären sie auch scheinbar nicht des Aufhebens werth, der wissenschaftlichen Forschung und der Nachwelt gesammelt aufbewahren. Dr.H.
5) Wie sehr der Irichtberg vor 40 Jahren als Aussichtspunkt geschätzt gewesen sein mag, erhellt nicht blos daraus, daß man Stufen und Geländer zur leichteren Besteigung seiner basaltischen Kuppe anbrachte; Pleschke sagt nämlich an einer andern Stelle seines Aufsatzes auch noch ausdrücklich, daß dieser, eine Viertelstunde vom Karlsteine entfernte Berg wegen der schönen Aussicht in die nahe sächsische Schweiz sehr häufig besucht wurde. Dr. H.
aus: (Nordböhmische Touristenzeitung Nr.3/1886 vom 25.2.1886)
Anmerkung: Der vorliegende Artikel beschreibt die Überreste einer mittelalterlichen Burganlage, die auf den heutigen tschechischen Karten als "Chribsky hradek" eingetragen ist. Die Burg befindet sich östlich der Straße von Dolni Chribska (Niederkreibitz) nach Doubice (Daubitz) über dem nördlichen Ufer des Doubicky potok (Daubitzer Bach).
letzte Aktualisierung am 6.12.2011