Aus der Geschichte der Erstbegehungen
Schäferwandturm (Prebischtorgebiet) - Alter Weg
Erste Begehung am 2.Oktober 1932
von Arno Büttig
Die erste Besteigung des Schäferwandturmes
Ein neuer Gipfel !" Mit diesem Sensationsruf empfing uns der Vorstand zur allgemeinen Freitagszusammenkunft.
Die Gesichter wurden nicht länger, sondern breiter. Von einem freundlichen Grinsen begleitet, schielte einer den
anderen an: Macht der Spaß -- ?" Schon wurden Stimmen laut: So ein kleiner Witzbold !" Hast wohl am
Sonntag zu viel Böhmisches geschleckt ?" -- Ein jeder war sich darüber klar, daß es so etwas nicht mehr gibt. Ob
sächsisches Felsengebirge oder nahes Grenzgebiet, überall hat der Kletterer seinen Fuß gesetzt, um wieder und
wieder etwas Neues zu entdecken. Bis schließlich einmal fühlbarer Mangel an unentdeckten Kletterfelsen
einsetzen mußte.
Doch unser Walter Zischek blieb dabei. Jetzt wurden die Gesichter ernster. Erzähle mal, was ist denn das für ein
Ding und wo steht denn die Quacke ? " Nun kam es heraus, daß er mit seiner Frau in der Nähe der Hirschpfützen
und Schäferwände in den Brombeeren gewesen war. Dabei sei ihm ein alleinstehender Fels aufgefallen. Er habe
gedacht, daß das was sein könnte ---.
Na, schön! Gehn wir am Sonntag mal hinaus !" Natürlich wurden Schlagzeug und Ringe mitgenommen.
Trotzdem wurde noch beim Überqueren des Großen Winterberges, der ja immer als Schinder angesehen wird, auf
den neuen Gipfel gespöttelt. Einer meinte gar: ,,Und wenn das nischt is Elly, dann siehste Deinen Mann nicht
wieder. Alles johlte ---.
Bald schritten wir auf dem Fremdenweg dahin, die Richterschlüchte links liegen lassend. Wo der Weg eine scharfe
Biegung macht und untermauert ist, schwenkten wir rechts ab durch neue Anpflanzung. Gespannter wurden die
Blicke. Links unten zog der Hirschpfützengrund seine Kehren. Rechts nahebei die Schäferwände. Eine stark
gebogene Birke, die zwar ihr längstes Leben geblüht hat, wird auch für andere ein Wegweiser sein.
Da plötzlich stehen wir vor einem Brocken. Massig die Form. Beste Gestalt zeigt er von der Nordwestseite
(Bildansicht). Ist er das?" Ja!", war die Antwort --. Allgemeines Murmeln --. Ohne die Rucksäcke abzulegen,
wurde der Neue ins Kreuzfeuer genommen ---.
Die Erstbesteigung des Schäferwandturmes - am schrägen Band im unteren Teil des Weges
Ehrliche Blicke waren es, die ihn umkreisten. Bald waren wir uns darüber klar, daß die Nordwestseite seine Blöße
sein mußte. Für uns also der Angriffspunkt. Ein kräftiges Frühstück ließ uns wieder etwas zur Ruhe kommen. Die
Sache konnte ja nicht so schwer sein.
Klubfreund Preiß wagte den ersten Gang. Zur Vorsicht produzierte ich mich auf einer hochstehenden Kiefer für
die Schwebesicherung. Noch kannten wir ja die Tücken jenes Gesellen nicht.
Es geht los !" Schon setzte Fritz auf der Nordwestseite zum Einstieg an. Morsche Schalen und Platten mußten
beseitigt werden. Bei jeder Auflage war abgeagerter Sand zu verwischen. Alles kräfteraubende Arbeit. Aller Augen
waren gespannt. Jetzt stand er am schrägen Band. Von unten als leicht angesehen, zeigte es erst beim Steigen
seine ungefällige Art. Für die Hände sandige Auflage. Die Füße konnten nur außerhalb des Riffes auf glatter
Reibung haften. Also gute Schuhe, halbe Arbeit ! Leider hatte Fritz nicht die Besten. Für ihn war das Band schon
Kräfte verschwendend. Da, endlich nach vorsichtigem Tasten und Suchen, stand er unterm senkrechten Riß. Mit
aller Vorsicht legte er hier hier eine Seilschlinge. Der Stand, als Ruheplatz gedacht, ist mies.
Die Erstbesteigung des Schäferwandturmes - unter dem Ausstiegsriß
Aufpassen!" Ich mach gleich weiter !" Sicher saß ich mit meiner Schwebe zwischen den Ästen und lugte scharf
hinüber --. Bald stand er über der Schlinge und versuchte in den Riß zu kommen. Die Hände tasteten weiter,
suchten etwas. Nur ein kleines Griffchen, eine kleine Au flage. Der Körper war aufs äußerste gestreckt. Zurück --
! Bald stand er wieder am Band, kurz hinter der Seilschlinge, um auszuruhen. Ratschläge wurden erteilt. Na,
noch mal dasselbe --. Immer wieder zurückgeschlagen. Der Fels ist abweisend. Er will es nicht geschehen lassen.
Ein letzter Versuch --. Da endlich gelingt es ihm, sein linkes Bein, oberhalb der gelegten Schlinge, über eine
Wölbung in den Riß zu werfen. Die Hände tasten höher --. Nichts zu packen --. Wenns noch zehn
Zentimeterwären? Äußerste Anstrengung -- letzte Kraft --. Die Kletterpatschen wetzen am Fels --. Die Finger
spielen wie auf einem Klavier -. Es geht etwas höher - aber im nächsten Moment blitzschnell tiefer. Die Finger
werden zu Krallen. Die Füße zu Bremsklötzen. Nur ein kurzes, lautes Schürfen. Wie ein Luchs äugte ich hinüber.
Mit festem Griff das Seil gestrafft --. und schon schwebte Fritz 4 Meter über einer großen Felsplatte in bester
Schwimmlage. Und wirklich fing er gleich mit Tempis an. Allgemeines Gelächter setzte ein. Es war für die
anderen eine Auslösung nach all der Spannung.
Der nächste Herr bitte !" kam der Ruf von der Kiefer. Bub erbot sich. Also auf ein Neues!
Die Erstbesteigung des Schäferwandturmes - im Ausstiegsriß
Behend wie eine Katze war er auch bald am Riß. Erster und zweiter Versuch vergebens --. Doch beim dritten hatte
er nach alter Routine versucht, die linke Faust mit einer 1/4-Umdrehung im Riß zu verklemmen. Sich mehr
einarmig anziehend, die Füße aber mit äußerster Kraft an den Fels pressend, gelang es ihm für die rechte Hand
eine kleine Auflage zu finden. Höher die Füße geklemmt. Den Körper nachgestreckt -- und jetzt wars geschafft !
Anstrengung hat es gekostet. Bald war der Vorgipfel mit seiner kleinen Kiefer erreicht. Einige Tritte noch und
Walter Müller stand als erster auf einem Kletterfelsen, dem wir den Namen Schäferwandturm" verliehen. Ein
Stündchen darauf waren wir zu Fünf oben und freuten uns alle über die 15 Meter schönste Felsarbeit, die wir am
Sonntag, den 2.Oktober 1932 geleistet hatten. Länger als anderswo verweilten wir hier oben, von keiner anderen
Partie zur Eile angetrieben. Wenn der Blick in die Ferne schweifte, grüßte über allen Wipfeln des sich vor uns
ausbreitenden Waldes der Aussichtsturm des Winterberges.
Ein Abseilring wurde geschlagen --. Einer nach dem anderen glitt hinab -. Es war geschafft !
Zur Feier des Tages durfte der Vorstand einen Doppelliter Böhmisches geben. Diesem Beispiel folgten auch andere
Bergfreunde, denen der eigene trockene Gaumen Verständnis für unseren Durst nachfühlen ließ.
aus: Der sächsische Bergsteiger - 16(1935), 65-67)
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Dokument vom 10.1.99