Freitag, den 23. März, mit Meurer und Müller nach Rathen. Nach einer Besteigung des Jungfernsteines auf dem Schusterwege gingen wir zur Bastei hinüber und stiegen nach einer Rast von dort auf dem schon früher einmal mit Weidenbach und Böhme begangenen Wege direkt zur Elbe ab. Von hier wieder hinauf auf dem Wege, welcher an der Vehmhöhle vorbeiführt, zum "Wartturm". Der Turm ist von der Elbe aus deutlich sichtbar. Wir können zunächst keinen praktikabeln Anstieg finden, schließlich wird der gewaltige, die Südwand durchschneidende Riß zum Anstieg erkoren; er setzt leider erst ziemlich hoch ein. Ein direkter Anstieg über die überhängende Wand mißlingt; nicht glücklicher ist ein zweiter Versuch weiter östlich. Endlich gelingt es mir aber doch, auf Müllers und Meurers Schultern stehend, die unterste Wandstufe zu erklettern. Es geht nun weiter sehr schwer über Platten zu dem Kamin und durch diesen hinaus. Zuletzt geht es auf die Nordseite des Turmes hinüber und von da zum Gipfel hinan. Es war die erste Ersteigung des Wartturmes, die uns erhebliche Schwierigkeiten bot. Viele Leute auf der Bastei beobachten uns auf dem Gipfel. Abstieg auf der Anstiegsroute. Recht schlecht ist die unterste Wandstufe, da Abseilen nicht angeht. - Nach einer kurzen Rast ging es weiter in westlicher Richtung an den Basteiwänden hin. Nach einiger Zeit kamen wir zu einem Doppelturm 1) den wir erkletterten. Dann über eine Treppe in den Grund und in südlicher Richtung auf schlechtem Pfade hinaus auf einen Weg, der uns auf die Wehlener Basteistraße bringt.
Kampfturm. Erste Ersteigung.
Freitag, den 30. März 1894. Früh 7.10 mit Friedrich Meurer nach Schöna gefahren, wo wir 8.17 anlangten. In Herrnskretschen die Champagnerflasche verzollen müssen mit 1Fl.1kr, schreibe ein Gulden ein Kreuzer. Bei den 3 Quellen hinauf zum Prebischtor, doch nicht bis zur Wirtschaft, sondern vorher auf den Gabrielensteig abgebogen und auf diesem, häufig durch gebrochene Bäume belästigt, hin, bis wir durch eine Schlucht zur Croda da Lago 2), welche nordöstlich vom Beckstein liegt, aufsteigen können. Nach einer Rast erklettern wir sie von Südwesten. Es ist eine exponierte Wandkletterei, zuletzt ein Kamin mit lockerem Block. Da dieser uns für den Abstieg zu unsicher erschien, so seilten wir uns an einem Eisenstift über die glatten Platten hinab auf den obersten Absatz unter der Spitze. - Nach vollendetem Abstieg ging es fast horizontal durch den Wald hinüber zum Beckstein, den wir ohne Seil erstiegen. Nach dem Abstieg, der sich auf der Anstiegsroute vollzog, zur Stimmersdorfer Kapelle, einem orginellen Felsloch, abgestiegen. Nachdem wir noch das Jägerhorn - eine hübsche Gratkletterei - ohne Seil erstiegen hatten, gingen wir auf dem Gabrielensteig weiter fort am Kieferhorn vorbei auf die Zschandstraße. Auf dieser gingen wir bis zur Einmündung des Nattergrundes und dann in diesem empor, durch gefallene Bäume sehr geniert, zum "Kampfturm". Dort trafen wir abermals einen Auerhahn, der einen energischen Angriff auf uns macht, aber endlich durch einen kräftigen Steinwurf am Bein verwundet, davonfliegt.3) - Nun den Kampfturm erstiegen und zwar durch den gewaltigen Kamin der Südwand, 4) der unten gute Griffe bietet, oben aber sehr eng wird. Der Gipfel ist mit Bäumen bewachsen. Es war die erste Ersteigung des Kampfturmes; schwierig. Den Abstieg nahmen wir nach Osten, 5) wobei wir uns zirka 12 Meter abseilten. - Dann gings auf äußerst mühsamem Terrain zum Groß-Litzner. An ihm vorbei und hinab auf schlechtem Wege auf die Zschandstraße und zum Zeughause.
Großes Seehorn. Erste Ersteigung.
Kl. Huschenwächter. Erste Ersteigung.
Sonnabend, 31. März 1894.....Besteigung der Sommerwand....Dann hinüber zum Groß-Litzner. Diesen erklettert. 1.Ersteigung. Ein Überhang, über den mir Meurers Schultern helfen, schlecht. Freier Abstieg. Dann den Turm südwestlich des Gr.-Litzners bestiegen und überschritten. 6) Ein rotes Taschentuch auf dem Gipfel zurückgelassen. Dann gings hinab durch die Sommerschlucht zur Zschandstraße. Dann in die Richterschlüchte eingebogen und durch sie wieder äußerst mühsam hinauf, da fortwährend umgefallene Baumstämme im Wege liegen. Eine zur Seite liegende Grotte besucht, die äußerst großartig. Die Richterschlüchte verfolgt bis zur Höhe des Fremdenwegs und der Grenze, auf dieser ein Stück in westlicher Richtung hin, dann in den Grund nördlich der Auerhahnwände eingeschwenkt. Dort ekelhaftes Gehen über gefällte Baumstämme und Schnee. Endlich kommen wir in die Husche (Tal der dürren Biela), in deren Grunde ein Stück fort, dann nach links (östlich) über einen Weg und schwer gangbare Hänge zur "Dreifingerspitze". 7) Zunächst Rast. Dann durch zwei schlechte Kamine auf den Nord- bez. Nordwestgipfel der Dreifingerspitze (1. Ersteigung); 8) die beiden andern Gipfel erscheinen unersteiglich. Nachher noch auf der Schildkröte, einer merkwürdigen Felsbildung östlich von der Dreifingerspitze, interessant, aber nicht besonders schwer zu ersteigen. Dann gings durchs Tal der dürren Biela und über die Jungfernquelle nach Herrnskretschen.
Sonntag, 1. April 1894 mit C. und Fr. Meurer nach Wehlen. Besteigung der Laasensteine (leichte Klettereien), sodann hinüber zum Nonnenfelsen (250 m). Eine Felsgestalt, welche sich den kühnsten in der Sächsischen Schweiz zur Seite zu stellen vermag. An der Ostseite erfolgte der Aufstieg: Zuerst von links schräg nach rechts in die Höhe zu einer kleinen Felshöhle. Dann über eine kurze Traverse und eine steile Wand auf ein Felsband. Als Fritz Meurer hierher nachgekommen, mache ich mich an die Erkletterung des letzten Absatzes. Die Wand bietet viele, zum Teil aber nicht zuverlässige Griffe, ist ungemein steil; freie Wandkletterei, ein Stück direkt schlecht. Der Absatz wird glücklich erklettert. Ich gelange in eine 2 Meter hohe und 4 Meter tiefe Felsnische, darin die Jahreszahl 1849 und verschiedene z.T. unleserliche Buchstaben. Nun durch einen kurzen Kamin auf die aus zwei Teilen bestehende Gipfelplattform. Auf dem Gipfel eine eiserne Stange. Die Aussicht erschien mir neben der vom Mönchstein eine der schönsten in der Sächsischen Schweiz. Karte deponiert. F. Meurer meißelt unsere Initialen K.M., F.M., O.S. und das Datum 1.IV.94 auf dem Gipfel ein. - Wetter schön. - Der Abstieg durch den Kamin vollzog sich ohne Hindernisse. In der Nische einen Eisenstift eingetrieben. Ein andrer wird eben dort gefunden, losgebrochen und zur besseren Befestigung unseres Eisenstiftes verwendet. Dann entdeckten wir noch ein Töpfchen mit den Karten von A.Matthäi, Theodor Lierke, Fischer, Kurze von der Sektion Dresden des Gebirgsvereins, die am 1. Juli 1888 ohne Zuhilfenahme von Leitern (?) die Ersteigung ausführten. Herab auf den Anstiegsweg. Ich seile mich am Eisenstift aufs Band. Mittagsrast am Fuße des Nonnensteins; dann nach Rathen übergesetzt. -
Pfingstsonnabend, den 12. Mai 1894, früh 6.22 ab Dresden bei regnerischem Wetter in Gesellschaft von Friedrich und Conrad Meurer nach Schöna gefahren. Zunächst am linken Elbufer ein Stück abwärts, dann nach Schmilka übergesetzt. Auch hier war das Wetter sehr unsicher. Über den Bergsteig aufs Winterbergplateau und weiter nach dem Roßsteig. Von diesem bogen wir bei Schneise 35 ab und erreichten so, nach lästigem Umherirren durch Wald, den Goldsteig. Auf diesem zum Spitzen Horn. Ohne zu rasten, wurde sogleich - Friedrich Meurer in Nagelschuhen voran - die große Plattform südlich vom Spitzen Horn erklettert; dort erst ließen wir uns - die Rucksäcke waren auch heraufgeschafft worden - zur Frühstücksrast nieder. Gegen 11 Uhr erfolgte der Angriff auf das Große Spitze Horn, das wir (Dümler, Müller und ich) schon einmal vergeblich angegriffen hatten. Auch dieses Mal mißlang der erste Versuch, ich vermochte trotz der Unterstützung mit dem Pickel von unten nicht die Stelle zu erklettern. Glücklicher war der zweite Versuch: Ich überwand die von einem Vertikalriß durchfurchte Platte und verschwand in dem Spalt, zu welchem sich die Fortsetzung des Risses vertieft. Derselbe wird bald regelrechter Kamin, nach dessen Durchkletterung man auf einen Absatz kommt. Bis hierher wurde der Rucksack mitgenommen. Ein enger sandiger Riß führt nun höher zu einem Baum. Von hier klettert man einige Meter nach links über eine ausgesetzte Stelle nach einem zweiten Baum. Nun geht es leichter durch zwei Kamine in die Höhe. Der letzte derselben trennt beide Gipfel von einander, von denen der westliche nur einige Zentimeter höher ist. Vom Einstieg bis zum Gipfel benötigten wir 5/4 Stunde. Auf dem Gipfel hinterlegten wir unsere Karten und pflanzten eine schwarz-weiß-rote Fahne auf. Das Wetter hatte sich gebessert. Nach kurzem Aufenthalte stiegen wir auf der Anstiegsroute wieder ab. 15 Meter oberhalb des Anstiegs wurde ein Eisenstift eingetrieben, an dem ich mich als letzter abseilte. - Das schwierigste Stück der Tour ist die Einstiegsstelle, ein dritter Mann ist hier wohl unentbehrlich. - Mit dem Spitzen Horn sank einer der letzten großen Gipfel der Sächsischen Schweiz unter unseren Füßen.
19.9.94. Mit Conrad und Friedrich Meurer die erste Ersteigung des Winklerturms ausgeführt 9) dann 2.Begehung des Südwegs auf den Rauschenstein. Vom Rauschenstein wanderten wir nach der Schrammsteingruppe. Zuerst wurde der Torwächter (am unteren Schrammtor) stark rekognosziert und auch durch einen langen Kamin die Schulter bestiegen. Von dort ist aber weiteres Vorwärtsdringen unmöglich. Dann erkletterten wir von der gegen den Torwächter zugewendeten Seite einen der phantastischen Gipfel (stark mit Eisen durchsetztes Gestein), welche zwischen Torwächter und Flaschen-Stein 10) stehen. Die Arbeit durch einen Kamin, welcher sich in der Mitte umbiegt, war ziemlich schwierig und auch anstrengend. Darauf ging es weiter auf einen weiter westlich gelegenen Gipfel 11), dessen südlicher Nachbar schon von Friedrich Meurer und dessen kleinerem Vetter einmal gemacht worden ist. Unser nächstes Ziel war der vorläufig noch unbekannte dreizackige Gipfel zwischen Schrammsteinplateau und unterem Schrammtor. Um denselben zu erreichen, stiegen wir vorerst auf der gegen den Flaschenstein zugewendeten Seite von unserem Gipfel ab und dann zum Fuße des kühnen Dreispitzes. Schräg von rechts unten nach links oben geht es in einen äußerst anstrengenden Kamin hinein und durch diesen in die Höhe. An einer ziemlich langen Stelle wird die Kletterei durch eine vorspringende Felsrippe wesentlich erleichtert. Zuletzt geht es senkrecht durch den Kamin in die Höhe. Nun muß man. nochmals auf die Schulter des Gefährten, und dann ist der kühne Turm bezwungen. Erste Ersteigung. Den Abstieg nahmen wir auf dem Anstiegswege. - Auf der Ostrauer Scheibe hielten wir dann nach dem anstrengenden Tage eine längere Rast. - Der Winklerturm, die Tour in der sächsischen Schweiz, die die größte Vorsicht nötig macht, neben der Traversierstelle am Bösen Turm.
Am 26. Dezember 1894 traf ich mich mit Friedrich Meurer in Schandau. Das Wetter, welches am Morgen klar gewesen, wurde dann trüb, windig und kalt. Wir stiegen zum Fuße der Nordwand des Falkensteines empor und hielten hier Rast am Fuße eines großen Kamins, welcher sich hoch in den Platten hinaufzieht. Diesen Kamin griffen wir an und erkletterten ihn in exponierter und schwieriger Kletterei. Meurer klettert voran. Der Kamin endet in der Wand. Eine Traverse nach links würde in den großen Felsspalt hinaufführen, welcher an der Felsverklüftung am Schusterweg endet. Diese Traverse ist jedoch ganz unmöglich. Wir gehen noch ein Stück auf beschneitem Bande nach rechts, dann ist ein weiteres Vordringen unmöglich. Wir stiegen nun durch den Kamin zurück und griffen den Fels weiter östlich an. aber glatte, wenig Halt bietende Stellen, zuletzt durch einen Kamin, gelangten wir so hinauf auf das große Band am Schusterweg 12). Nun, schwer und nicht ungefährlich, über die brüchigen Platten des Schusterweges und weiter auf diesem zum Gipfel. In der großen Rinne hängt jetzt ein großes, von Dümler gestiftetes Drahtseil. Auf dem Gipfel der Falke aus Kupferblech, der am 2. Dezember d.J. hier heraufgeschafft worden ist. Trotz des kalten nebligen Wetters hielten wir uns eine Weile auf dem Gipfel auf und stiegen dann auf dem Turnerweg ab. Nach dem Abstieg unternahmen wir noch eine Rekognoszierung an der West- und Südwestwand und kletterten hier auch ein Stück in die Höhe. Dann gings hinab nach Schandau; per Bahn nach Dresden. - Interessante Tour, aber erschwert durch die ungünstigen Verhältnisse: Wind, Kälte und teilweise Vereisung.
1) Sehr wahrscheinlich der "Lochturm" im Hirschgrund.
2) So nannten die Erstersteiger zunächst den Zuckerhut.
3) Es sei dahingestellt, ob es dieser Kampf mit dem Auerhahn war, der die Erstersteiger bewog, den Felsen "Kampfturm" zu nennen, oder die Empfindungen, von denen sie nach gelungener Ersteigung beherrscht wurden. Hans Gebler (Ö.T.Z., XXIII.Bd., Nr.19, Blaues Horn, Sommerwand und Kampfturm) berichtet darüber:
Erkämpfen und erringen,
Das ist des Starken stolzes Recht.
Das kann ihm niemand rauben,
Denn dazu fehlt dem feigen Knecht
Der Mut und auch der Glauben."
4) Hier liegt wohl ein Irrtum Schusters bez. der Himmelsrichtung vor: die erste Ersteigung geschah durch den großen Kamin an der Ostseite des Felsens.
5) Mit teilweiser Benutzung des späteren "Puschweges".
6) Später Großes Seehorn genannt.
7) Zweifellos die jetzt Großer, Mittlerer und Kleiner Huschenwächter genannten drei Felsspitzen.
8) Dies wäre der Kleine Huschenwächter.
9) folgt Beschreibung des Anstiegs, die nichts Besonderes bietet.
10) Wohl Mittel- und Westgipfel der Zackenkrone.
11) Vermutlich die "Unbenannte Spitze westlich der Zackenkrone" (vgl. Fehrmann, Bergsteiger i. d. Sächs. Schweiz, I. S.151).
12) Die Einstiegsvariante zum Schusterweg. S. Fehrmann, Bergsteiger i. d. Sächs. Schweiz, S.190.