herausgegeben von Dr. Waldemar Pfeilschmidt, Verlag Bernhard Hartung, Dresden 1922
Reußsche Variante zum Westwege.
Montag, 29. März 1897. Früh mit Friedrich Meurer und v.Reuß über Ostrauer Scheibe nach dem Hohen Torstein. Diesen direkt von der Seite des Elbleitenweges (W) her erstiegen bis zu dem großen Bande, das an der Westwand hinzieht. Nun neue Variante gemacht, indem mir dieses Band in der Richtung gegen den Falkenstein verfolgten. Das Band wird immer schmaler; schließlich folgt eine sehr lustige und äußerst pikante Traverse an der dem Falkenstein zugewendeten Seite über einem grauenvollen Absturz. Sie führte uns in das Felsloch, welches wir passierten, um in den Felskessel zu gelangen und dann auf der am vorhergehenden Tage entdeckten Route 1) zum Gipfel zu gehen. Wir betraten dieses Mal die Spitze. Am Vortage hatten Müller und ich, weil Reuß auf unsere Rückkunft wartete, das unterlassen. Da es abscheulich regnete, stiegen wir eiligst auf dem üblichen Wege und durch die Sandreiße ab. 2)
Erste Begehung.
4. April 1897. Rekognoszierung an der Westwand des Falkensteins mit Paul Müller. Ich erklettere zum großen Teil den furchtbaren Spalt in der Westwand, zum Teil unter außerordentlichen Schwierigkeiten. Müller vermag nur ein kurzes Stück zu folgen; da ich wegen Meurer den Weg einmal nicht durchführen wollte, gingen wir zurück. Ich stelle fest, daß der Weg zwischen Platte und Traversierstelle in den Turnerweg mündet. -
Donnerstag, den 8. April 1897. Erste Ersteigung des Falkensteins über die Westwand. Mit Friedrich Meurer und Erwin Hübner 7.07 ab Dresden. Von Schandau über die Ostrauer Scheibe zum Fuße der Westwand des Falkensteins und sogleich durch eine Felsrinne hinauf auf das mehrfach betretene große Band. Hier Frühstücksrast. Darauf durch den Spalt in die Höhe. Ich klettere voran, dann Meurer, darauf Hübner. Die ersten 15 Meter schon schwer. Dann lasse ich Meurer bis auf ein schmales Band nachkommen. Nunmehr kommt der schwerste Teil des Kamins. Seine Höhe beträgt etwa 25 Meter. Die Wände sind zum Teil völlig glatt, dabei ist der Spalt sehr eng. Man gelangt schließlich hinter einem Block durch auf einen Absatz. Von hier könnte man über einen etwa 10 Meter langen Kamin das kleine Schartel, welches vor der Traversierstelle am Turnerweg liegt, erreichen 3) Wir aber beschlossen, nachdem wir alle drei auf dem Absatz vereinigt waren, die Felszinne in Angriff zu nehmen, an deren Ostflanke die Traverse des Turnerwegs hinführt, und somit den neuen Weg fortzusetzen: Ein Stück weit geht es recht schwierig durch einen Kamin in eine Felsnische in die Höhe. Darauf kommt ein Überhang, der ohne Unterstützung nicht zu machen ist. Hübner wurde von mir nach Möglichkeit unterstützt und gelangte so auf die Höhe des Turms, wir andern folgten mit Seilhilfe. Nunmehr hieß es, jenseits ein kurzes Stück durch einen Kamin absteigen, dann muß der Spalt überspreizt werden, den man auch auf dem Turnerwege zu passieren hat, und schließlich gings durch einen Kamin und über leichte Platten etwas nach rechts zum Gipfelplateau in die Höhe. Von dort sogleich zum Falken. Der Abstieg wurde über den Nordweg (zweite Begehung überhaupt) genommen, der sich als leichte und ungemein angenehme Route für den Abstieg empfiehlt. Wir stiegen später nochmals auf die große Terrasse der Westwand, wo Mittagrast gehalten wurde. Dann Überschreitung des Falkensteins ohne Seil via Schusterweg-Turnerweg, darauf gings hinüber zum Mittleren Schrammtor, wo ich lange rekognosziere und eine sehr interessante Schlucht entdecke; ebenso glaube ich den Anstieg zu einem Turm gefunden zu haben. 4) Über Ostrauer Scheibe nach Schandau. - Interessante Partie, zum Teil sehr schwierig, aber durch schönes Wetter begünstigt. -
Rauschenstein. Erste Begehung der Hübnerschen Variante zum Nordostweg.
Sonnabend, den 17. April 1897 (Ostersonnabend). Früh 7.07 mit Friedrich Meurer und E.Hübner nach Schandau, wo uns Dr.Bröckelmann und Max Schlesinger bereits erwarten. Über Ostrau und durch das Untere Schrammtor zum Mittleren Schrammtor, wo Frühstücksrast. Darauf in zwei Partien: ich - Hübner und Meurer - Bröckelmann auf jenen Turm, der zwischen Mittlerem und Unterem Schrammtor steht und bis dahin noch nicht bestiegen war. Der Angriff erfolgt von Norden und Nordosten. Zuerst geht es in südlicher Richtung in eine Felsschlucht mit großartiger Szenerie, dann nach links über einen Doppelriß in eine kleine Scharte und weiter einige Meter zwischen glatten Winden in die Höhe auf eine kleine Plattform, die vom Massiv des eigentlichen Turmes durch einen tiefen Spalt getrennt ist. Er wird überspreizt und man steigt nun mit Hilfe des Hintermanns in den Spalt ein. Durch eine Reihe aufeinanderfolgender Kamine gelangt man auf eine kleine Plattform, von dieser überspreizt man den Anstiegskamin und gelangt über eine kleine Platte zum geräumigen Gipfel. Erste Ersteigung. Der Turm erhielt den Namen Osterturm, weil er am Ostersonnabend erstiegen. Während Bröckelmann hier zurückblieb, bestiegen wir andern den südsüdöstlichen Vorgipfel: Zuerst durch einen Kamin, dann über Platten hinab, dann Abseilstelle. Der Weg wendet sich durch Kamine auf die Südseite des Vorgipfels, und schließlich erreicht man die Spitze von Osten her. Gleichfalls erste Ersteigung. Abstieg bez. Rückkehr zum Hauptgipfel ziemlich direkt durch Sprung in nördlicher Richtung auf eine tiefer gelegene Plattform, von wo durch Kamine hinab und jenseits über Interessantes, eisendurchsetztes Gestein zurück auf die Platten und zum Gipfel. Karten niedergelegt und Meurers Taschentuch an einer Birke befestigt. Den Abstieg nahmen wir auf der Anstiegsroute. Übers Untere Schrammtor und den Tunnel auf den Vorderen Torstein. Darauf längere Rast und Rekognoszierung anderer Felsgipfel der vorderen Torsteingruppe. Dann zum Rauschenstein, den wir über die Südwand besteigen. Ich mit Bröckelmann und Schlesinger auf dem üblichen Wege abgestiegen, Meurer mit Hübner über die Nordwand. Sie machten dabei eine neue Variante, indem sie nicht den kleinen Tunnel benutzten, sondern direkt durch die große Schlucht abstiegen. -
Kesselturm. Erste Ersteigung.
Montag, den 31. Oktober 1898. - Mit Conrad und Friedrich Meurer und einem dritten Herrn nach Schandau. Den Osterturm von Osten erklettert. Auf diesem Wege stieg ich am vorhergehenden Tage mit den Tetschener Herren ab, die auch diese Route gefunden haben. 5) - Am Nachmittag machen Friedrich Meurer und ich die erste Ersteigung des Kesselturmes. Er liegt zwischen Meurerturm und Flaschenstein. Der Aufstieg vollzieht sich auf der Nordseite und ist sehr schwierig. Erst ein großer Spreizschritt, der nur durch Meurers lange Beine gelingt, dann ein sehr enger Kamin, endlich über eine Platte zum Gipfel. - Über die Hohe Liebe und Ostrauer Scheibe nach Schandau zurück.
1) Gemeint ist die Schustersche Variante zum Alten Wege. - Am "Alten Weg über die Platte" stand bis etwa ums Jahr 1900 eine Leiter an der Platte.
2) Es läßt sich aus voranstehendem Bericht nicht ersehen, wer bei Begehung dieser "Reußschen Variante" geführt hat. Der Schlußsatz dieser Tagebuchaufzeichnung: " Reuß nicht trainiert, steigt schlecht" spricht dafür, daß auch hier Schuster die Führung inne hatte.
3) Die spätere "Gerbingsche Variante".
4) Mit der Schlucht ist wahrscheinlich entweder die Osterturmkapelle oder der Jubiläumsweg auf den Hohen Torstein, mit dem Turm der Osterturm gemeint.
5) Es handelt sich hier zweifellos um den als "Eiserner Kamin" bekannten Anstieg.